Zukunftsforum

Bericht von Jens Poggenpohl, Journalist

Mitreden im Klassenraum

Das Zukunftsforum des Projekts DemoS - Gemeinsam Demokratie erleben versammelte Beispiele dafür, wie die partizipative Gestaltung von Schule gelingen kann – auch schon in ganz jungen Jahren.

„Echt – das gibt`s bei euch?“ Wenn Miria ihren Freund*innen vom Alltag in der Schule Trogen erzählt, erntet sie oft ungläubiges Staunen darüber, wie sehr sie als Viertklässlerin mitentscheiden darf. Schon seit vielen Jahren verfügt die Schule im Appenzeller Land, die 180 Kinder vom Kindergartenalter bis zur Mittelstufe besuchen, über institutionalisierte Partizipationsmöglichkeiten. Ein Instrument ist die Vollversammlung, bei der sich alle Schüler*innen alljährlich am Internationalen Tag der Kinderrechte dem 20. November mit einem dieser Rechte detailliert auseinandersetzen. Aus der Beschäftigung mit dem Thema „Gesundheit“ entstand hier die Idee, die Pausenumgebung neu zu gestalten. Viele der Ideen, die die Schüler*innen formulierten, wurden auch gemeinsam umgesetzt – vom Barfußweg bis zum Waldsofa –, und 2024 wurde die Schule Trogen dafür beim Ostschweizer Umweltpreis „Der Grüne Zweig“ mit dem 2. Platz ausgezeichnet.
Die Entwicklung eines gesunden Schulraums durch das Instrument einer Vollversammlung  war eines von sechs Praxisbeispielen, die das „Zukunftsforum“ des Projekts DemoS – Gemeinsam Demokratie erleben im Juni in der Schule am See in Hard (Vorarlberg) versammelte. Zwei Tage lang entwickelten knapp 100 Schüler*innen, Studierende, Lehrpersonen und Forschende gemeinsam Ansätze für eine partizipative Gestaltung von Schule und Unterricht.

Begeisterte Zweitklässler
Inspirationen dazu lieferten insbesondere die Erfahrungen, die Schüler*innen und Studierende im Rahmen des Projekts mit der Methode der partizipativen Aktionsforschung schilderten. Dass mehr Demokratie schon in ganz jungen Jahren möglich ist, demonstrierten dabei zwei Projekte mit Erst- und Zweitklässlern. An der Volkschule Fischingen hatten Schüler*innen ihre Arbeitsplätze neu gestaltet. „Es braucht für solche Projekte Mut – und bitte keine Pseudo-Entscheide“, so das Fazit von Lehrerin Nicole Blumer. In der Volkschule Rheindorf brachten die Schüler*innen ihre Hobbys mit in den Unterricht. Neue, von den Schüler*innen entworfene Aufwärmübungen für den Sportunterricht, selbst gebastelte Lesezeichen, Tänze, Schach – mit ansteckender Begeisterung berichtete die Klasse von einer neuen Unterrichtserfahrung, die sie filmisch festgehalten hat.

Für das Format eines Podcasts hatten sich die Schüler*innen der PTS Rankweil, einer berufsvorbereitenden Schule, entschieden. Als Teil des Fachs Politische Bildung, in dem sie Inhalte selbst gestalten durften, diskutierten sie drei „Aufreger“ des Schulalltags: den für viele zu frühen Unterrichtsbeginn um 7.30 Uhr, die Frage, unter welchen Bedingungen man das Essen im Unterricht erlauben könnte, sowie die mangelnden Mitbestimmungsmöglichkeiten im Sportunterricht.

„Nicht jeder kann so viel Verantwortung tragen“
Demokratischere Unterrichtsformen, etwa in Form von selbst strukturierter Projektarbeit, gehen auch mit mehr Eigenverantwortung einher, wie die Reflexion einer Aktionsforschung durch Schüler*innen des Gymnasiums Überlingen zeigte. In zwei Workshops hatten die Schüler*innen der 11. Klassenstufe Konzepte zur Stressbewältigung in der Abiturzeit mittels Fitnessangebote und Medienbildung entwickelt – eine durchaus ambivalente Erfahrung, wie Valentin Kurz berichtete: „Nicht jeder Schüler kann so viel Verantwortung tragen.“

Dass es gleichwohl möglich ist, selbst Prüfungsformate partizipativ neu zu denken, zeigte Thomas Rhyner, Dozent an der PH St.Gallen, in seinem Erfahrungsbericht. Seine Studierenden hatten als „Gegenvorschlag“ zu einem festen Prüfungstermin als Modulnachweis das Modell einer schriftlichen Ausarbeitung konzipiert, inklusive eines Beurteilungsrasters für ihren Dozenten – eine anspruchsvolle, aber seitens der Studierenden gerne angenommene Herausforderung. Im kommenden Semester wird Rhyner seine neuen Studierenden um eine weitere Variante für den Modulnachweis bitten. „Ich habe Lust auf mehr bekommen.“

Lust und Neugier auf mehr Mitbestimmung will das DemoS-Projekt auch in den kommenden Monaten weiter wecken. Dazu wird es die Praxisbeispiele und die darauf aufbauenden Reflexionen unter anderem in einer Publikation aufbereiten.